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13. Mai 2013
Obere Lahn besiegt Meisterschaftsanwärter

fabiringeVon Benedikt Bernshausen
Biedenkopf. Turn-Deutschland steht Kopf. „Wir als kleiner Dorfverein ärgern die Großen“, strahlt Sebastian Quensell, während 1500 Fans in der Lahn-Arena die „Titanen“ noch immer lautstark feiern. Nachdem die KTV Obere Lahn am letzten Samstag Vizemeister Straubenhardt geschlagen hatte, gewannen die Hessen auch das Duell mit den Titelfavoriten MTV Stuttgart mit 38:33 Scorepunkten. Durch die Niederlage fallen die Schwaben auf den vierten Rang zurück. Obere Lahn kann mit dem dritten Sieg im dritten Wettkampf den Platz an der Tabellenspitze festigen. „Supergeil, dass wir führen“, schwärmte auch Andrey Likhovitskiy stolz. Und Trainer Albert Wiemers, der zuvor mit den Tränen kämpfte, empfindet die „Sommermeisterschaft“ als eine „riesen Sensation“. Seinen Turnern zollte Wiemers Respekt: „Hut ab! Die haben ihr Zeug in bemerkenswerter Ruhe durchgebracht.“

Die Entscheidung fiel erneut am Reck – doch der Reihe nach: Am Boden punkten Fabian Hambüchen und Fabian Gonzalez. Felix Wiemers buchte zwar starke 13,0 Wertungspunkte auf das KTV-Konto, verlor aber gegen Marcel Nguyen. Den ersten Gerätepunkt holte Biedenkopf am Pauschenpferd, auf dem Quensell – nach seiner Schulter-OP noch im Formaufbau – mit einem Unentschieden gegen Nguyen überraschte. Die Ringe gingen, wie anfangs Boden, an den MTV, der zur Pause mit sechs Punkten Vorsprung führt. Doch am Sprung beginnt die Aufholjagd von Obere Lahn: Überflieger Gonzalez knöpft Daniel Purvis drei Punkte ab, Hambüchen schlägt Nguyen und Wiemers turnt Unentschieden gegen Philipp Sorrer. An den Parallel-Holmen startete Stuttgart mit den beiden Stärksten, setzt erst Purvis und dann Nguyen ein. Während der Brite drei Punkte gegen die Weltklasseübung von Andrey Likhovitskiy verliert, gewinnt der Olympiazweite souverän – aber kontrolliert – fünf Punkte gegen Thore Gauch. Vier Zähler von Hambüchen gegen Andergassen und drei von Lotz gegen Sorrer, der beim Abgang mit den Händen auf die Matten stürzte, bringen Obere Lahn erstmals mit 29:28 in Führung. Am finalen Gerät legte für die Gastgeber Likhovitskiy vor, die Nguyen kontern soll, der aber den Kontakt zur Stange verliert und auf die Matten kracht – vier Punkte für Obere Lahn. Auch Hambüchen holt vier Zähler gegen Sorrer, Purvis stibitz fünf von Gauch. Vor dem letzten Duell des Abends führt Obere Lahn zwar mit 37:33. Doch noch ist das Ende offen – und der MTV setzt Andergassen, den Routinier. Für Biedenkopf tritt Lotz an, dessen Teamkameraden Arm in Arm auf der Bodenmatte stehen, ihn anfeuern, während die Spannung in der ausverkauften Halle ihren Gipfel erreicht. Später beschreibt Fabian Lotz diesen Moment: „Mir ist bewusst geworden, dass es jetzt auf mich ankommt. Aber ich habe versucht mich nur auf meine Übung zu konzentrieren.“ Und das gelingt: Lotz vermeidet volles Risiko, passt die Schwierigkeit der Situation an und bringt seine Übung in den sicheren Stand. Sofort entladen sich die Emotionen: Auf den Tribünen feiern die Fans ihre Helden und im Innenraum stürmt die Mannschaft zum Reck, herzt ihren Helden, der im entscheidenden Augenblick des Wettkampfes die Nerven behalten hat. Als wenige Augenblicke danach ein roter Scorepunkt auf der Anzeigetafel erscheint, ist die Sensation perfekt. KTV schlägt MTV. „Atemberaubend!“, resümiert Fabian Lotz, der wohl in Richtung der Stuttgarter, die im Vorfeld in Wild-West-Rhetorik stichelten, betont: „Abgerechnet wird immer zum Schluss: Das hat sich auch heute gezeigt!“ Mit der Niederlage hat MTV-Trainer Valeri Belenki nicht gerechnet. Seine Mannschaft habe zu viele Fehler gemacht. „Und das besonders am Reck. Was Nguyen betrifft: Der hat die Stange schon in der Hand und rutscht ab. Danach haben die Jungs angefangen zu zittern. Das hat uns den Sieg gekostet!“ Unglücklich ist der Trainer aber nicht: „Es ist vielleicht besser, dass wir jetzt verloren haben, als später im Finale.“ Dorthin möchte der Olympiasieger von 1992 seine Mannschaft führen – und wenn es weiter gehe, wie es begonnen habe, werde Obere Lahn folgen. „Die haben eine super Leistung gezeigt, ich wünsche es ihnen“, sagt Belenki. Auch Andergassen glaubt an ein Wiedersehen im Finale. „Es wäre schön, aber ich will im Moment noch nicht daran glauben“, erwidert Albert Wiemers, der zwei Mannschaften auf Augenhöhe turnen sah.
Teammanager Philipp Wiemers nutzt den letzten Wettkampf vor der Sommerpause für einen besonderen Dank an das „Team Hambüchen“, die sportlich wie menschlich eine große Bereicherung für Biedenkopf seien. Sowohl Fabian als auch Trainer Wolfgang Hambüchen sind längst zu festen Mitgliedern der Mannschaft gewachsen und bringen unschätzbare Erfahrungen in den Verein ein.
INFO: SOMMERPAUSE
Bis Oktober pausiert die Liga. Die Turner gehen in die Sommerpause, die für Likhovitskiy mit einer kurzen Erholungsphase und für Quensell gar mit einem Paris-Urlaub beginnt. Danach startet die Vorbereitung, in der etwa Likhovitskiy schon neue Elemente für die anstehenden Weltmeisterschaften trainiert. Sportlich wäre sicher besser, die Saison durchzuturnen, stellte Albert Wiemers fest. Aber aus organisatorischer Sicht sei die Pause für „unser genial saustark funktionierendes und zu jeder Verrücktheit bereites, ehrenamtliches Team, denen ich allergrößte Hochachtung und ein riesen Dankeschön sagen möchte“ wahrscheinlich besser.
Ergebnisse: KTV Obere Lahn – MTV Stuttgart 38 : 33 Scorepunkte; 334,15 : 335,80 Wettkampfpunkte; 7 : 5 Gerätepunkte.
Boden 5:7: Hambüchen – Purvis 4:0; Gonzalez – Sorrer 1:0; Lotz – Hoang 0:3; Wiemers – Nguyen 0:4. Pferd 4:4: Hambüchen – Purvis 0:1; Lotz – Sorrer 0:3; Likhovitskiy – Andergassen 4:0; Quensell – Nguyen 0:0. Ringe 5:9: Likhovitskiy – Hoang 2:0; Hambüchen – Purvis 3:0; Lotz – Nguyen 0:5; Schiller – Andergassen 0:4. Sprung 5:3: Gonzalez – Purvis 3:0; Hambüchen – Nguyen 2:0; Wiemers – Sorrer 0:0; Lotz – Hoang 0:3. Barren 10:5: Likhovitskiy – Purvis 3:0; Gauch – Nguyen 0:5; Hambüchen – Andergassen 4:0; Lotz – Sorrer 3:0. Reck 9:5: Likhovitskiy – Nguyen 4:0; Hambüchen – Sorrer 4:0; Gauch – Purvis 0:5; Lotz – Andergassen 1:0.

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